Banken unternehmen grosse Anstrengungen, um Geldwäscherei, Betrug oder Insidergeschäfte zu unterbinden. Durch den Einsatz neuer Technologien können viele Prozesse effizienter gestaltet werden. Zuerst müssen aber die Hausaufgaben gemacht werden. Dieser Beitrag ist der erste in einer Reihe von Artikeln, welche sich mit aktuellen Themen im Bereich Finanzkriminalität (auch „FinCrime“ genannt) auseinandersetzen werden. Autoren: Philipp Müller, Christian Röthlin
Der Kampf gegen Finanzkriminalität ist aufwendig. Das zeigt sich an der Art und Weise, wie Finanzinstitute heute diesen Kampf führen. Parameter werden definiert, anhand derer Kunden und Vorgänge in unverdächtig und verdächtig eingeteilt werden. Transaktionen mit erhöhten Risiken werden überwacht. Fällt ein Kundenverhalten als verdächtig auf, schlägt das System Alarm («Alerts»).
Finanzinstitute sind heute täglich mit einer Unmenge solcher Alerts konfrontiert. Jeder einzelne davon wird bearbeitet: Der zuständige Kundenberater muss eine Begründung liefern für das auffällige Kundenverhalten. Oft kontrolliert anschliessend die Compliance Abteilung den Sachverhalt sowie die durch den Kundenberater erfasste Erklärung. Doch in über 90 Prozent der Fälle stellt sich der Alert als unbegründet heraus. Der personelle und finanzielle Aufwand für diesen Prozess ist enorm.
«State of the Art»-Transaktionsüberwachung
Neue Technologien helfen, die obligatorische Transaktionsüberwachung schlanker zu gestalten. Konkret kann der Personalaufwand gesenkt werden, indem die Transaktionskontrolle verstärkt automatisiert und mittels moderner Technologie optimiert wird. Bei EY wird dafür eine Software eingesetzt, welche den Machine Learning Ansatz verwendet. Es zeigte sich, dass die spezialisierte Software dieselben Transaktionen mit erhöhten Risiken identifizierte dies aber bei einer signifikant geringeren Anzahl von «falschen» Alerts («false positive»). Darüber hinaus wurden zusätzliche Transaktionen mit erhöhten Risiken identifiziert, welche durch die herkömmlichen Systeme nicht erkannt wurden («true positive»).
Digitalisierung nimmt Arbeit ab
Den neuen Technologien gehört die Zukunft im Kampf gegen Finanzkriminalität. EY berät verschiedene Finanzinstitute mitunter bei der Risikoeinschätzung der Kundenbasis („Client Risk Scoring“). Dabei wird mithilfe neuer Technologiestandards unter Einbezug verschiedener Kriterien eine differenziertere Risikoabklärung von Geschäftsbeziehungen durchgeführt als mit bisher gängigen Methoden.
Bislang waren die Kriterien für eine Risikoeinschätzung hauptsächlich statisch. Namentlich vordefinierte Schwellenwerte führten dazu, dass objektiv nicht-riskante Beziehungen fälschlicherweise als Geschäfte mit hohem Risiko eingeteilt wurden. Automatisch zog diese Klassifikation teure Abklärungen und Überwachungen nach sich. Ein differenziertes Client Risk Scoring kann kostenintensive und notabene überflüssige Überwachung verhindern und unterstützt die Fokussierung auf wahre Risiken.
Unterschiedliche Standards trotz einheitlichen Vorgaben
Die Abklärungen im Rahmen des On-Boarding Prozesses bedeuten für Finanzinstitute einen hohen Aufwand, um u.a. den Auflagen der Aufsichtsbehörden zu genügen. Die Verantwortung der Banken in diesem Zusammenhang hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Neue Technologien können vor allem den hier zentralen «Know your Customer» („KYC“) Prozess unterstützen. Eine gründliche und auf strukturierten Vorgaben basierende Auswahl der Bankkunden sowie deren Dokumentation sorgen für weniger Aufwand während der laufenden Geschäftsbeziehung und können das Reputations- und regulatorische Risiko für die Bank erheblich reduzieren.
Das Erfordernis einer risikobasierten Kategorisierung und Überwachung von Geschäftsbeziehungen und Transaktionen erlaubt dem einzelnen Finanzinstitut zwar eine gemäss seinem Risikoprofil massgeschneiderte Lösung zu entwerfen, doch steigt zugleich das Bedürfnis nach Marktstandards und Benchmarking – auch vom Regulator.
Weiter führen die Regularien beispielhaft auf, welche zusätzlichen Abklärungen ein Finanzintermediär bei Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit erhöhten Risiken zu treffen hat. Die Ergebnisse der zusätzlichen Abklärungen sind auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen und zu dokumentieren. Was die Abklärungen im Einzelnen zu umfassen bzw. wie weit sie zu gehen haben, wie diese durchzuführen und in welcher Form zu dokumentieren sind, wird nicht weiter erörtert. Der entsprechende Ermessensspielraum ist also gross, genauso wie die berechtige Erwartungshaltung der Aufsicht. Immerhin können auch hier zur Orientierung „Best-Practice“-Beispiele dienen, welche EY in den letzten Jahren erarbeitet und kontinuierlich ergänzt hat.
Kommen kriminelle Aktivitäten im Finanzbereich ans Licht, ist die Kritik namentlich an Banken laut. «Man hätte die Anzeichen sehen müssen, wenn man richtig hingeschaut hätte», heisst es dann. Damit „richtig hingeschaut“ werden kann bzw. um im Kampf gegen Finanzkriminalität einen Schritt voranzukommen, müssen zuerst ein paar wichtige Hausaufgaben gemacht werden.
Datenqualität ins Zentrum der Anstrengungen rücken
In vielen Fällen ist es heute noch nicht möglich, das Potenzial der Digitalisierung im Kampf gegen FinCrime voll auszuschöpfen. Weshalb? Weil die Hausaufgaben im Management der Kundendaten nicht gemacht und deshalb die notwendigen Grundlagen nicht vorhanden sind.
Um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, sollte ein Finanzintermediär über eine möglichst einheitliche Datengrundlage verfügen. Doch häufig werden mehrere Systeme und Plattformen nebeneinander betrieben, und nicht alle Datensätze sind (automatisch) aggregierbar. Die oft vorhandene Inkonsistenz der Datensätze kommt erschwerend hinzu. So wird z.B. das Erstellen einer aussagekräftigen „single client view“ zur echten Herausforderung. Um diese meistern zu können, sind die anstehenden Hausaufgaben zeitnah zu erledigen.
EY kann Unternehmen bei den Herausforderungen im Kampf gegen Finanzkriminalität effektiv unterstützen; in der Aufbereitung der Daten bis zu ihrer Verarbeitung mittels moderner Technologie mit dem Ziel einer ganzheitlichen Sicht auf die Geschäftsbeziehungen und ihren Transaktionen.