Das lang erwartete Bundesgerichtsurteil zu den Kostenprämien  brachte eine unerwünschte Entscheidung für die Versicherung-Branche. Das Bundesgericht entschied nämlich, dass die Kostenprämien unter dem alten MWST-Gesetz mehrwertsteuerpflichtig sind. Autoren: Kaisa Miller, Gerd Jäger

 

Hinter dem Bundesgerichts-Urteil 2C_833/2016 vom 20. Februar 2019, versteckt sich ein Thema, das in der Schweizerischen Versicherungsbranche lange heiss diskutiert wurde. Und zwar: Die mehrwertsteuerliche Qualifikation der Mitversicherungsverhältnisse und insbesondere, ob die rechnerisch auf die Mitversicherer entfallenden Teile der Kostenprämie als von der Steuer ausgenommenen gelten soll.. Aufgrund einer Kontrolle durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) wurde die sogenannte Kostenprämie (Führungsprovisionen aus Mitversicherung) als steuerbare Leistung der führenden Versicherung an die Mitversicherungen qualifiziert. Wobei der Schweizerische Versicherungsverband und die Versicherungen diese Auslegung klar verneinten.

Bei der Mitversicherung werden in der Regel mehrere rechtlich selbstständige Verträge in einer Versicherungspolice zusammengefasst, wobei jeder Versicherer einen prozentualen Anteil (Zeichnungsquote) oder festen Betrag der Versicherungssumme beziehungsweise des versicherten Risikos übernimmt. Jedes Versicherungsunternehmen haftet nur für seinen Anteil an der Gesamtversicherungssumme (keine Solidarschuldnerschaft). Bezweckt wird die gemeinsame Bedeckung von grossen Risiken (Risikoteilung bei Deckung hoher Versicherungssummen), hauptsächlich im Industriebereich.

Mit der Führungsklausel wird die Abwicklung des Vertrages an den sogenannten führenden Versicherer übertragen. Dieser vertritt die anderen Mitversicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer, führt den Schriftverkehr mit dem Versicherungsnehmer, zieht Versicherungsprämien ein und reguliert Schäden. Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers besteht nur gegenüber dem führenden Versicherer, und nur dieser ist gegenüber dem Versicherungsnehmer informationspflichtig.

Leistungsverhältnis zwischen führender Gesellschaft und Mitversicherer ist laut Bundesgericht gegeben

Die Versicherungsbranche argumentierte, dass durch die Dienstleistung „Führung der Mitversicherung“ kein mehrwertsteuerliches Leistungsverhältnis zwischen der führenden Gesellschaft und den Mitversicherern bestehe, da die Leistung ausschliesslich gegenüber den Versicherungsnehmern erbracht wird. Zudem übernehme die führende Gesellschaft Aufgaben, die eigentlich dem Pflichtenheft der Mitversicherer zuzuschreiben wären. Durch die alleinige Vertragsabwicklung samt Schadenabwicklung durch die führende Gesellschaft verbleiben keine zu erledigende Aufgaben bei den Mitversicherern. Ausserdem stehen den Mitversicherern keine Forderungen auf einen Anteil der Kostenprämie zu.

Das Bundesgericht sah hingegen einen Leistungsaustausch zwischen der führenden Gesellschaft und den Mitversicherern aufgrund des Mitversicherungsvertrag als erwiesen an. Bei einem Mitversicherungsverhältnis gilt jedes Versicherungsunternehmen gegenüber dem Versicherungsnehmer als Erstversicherer (im Gegensatz zur Rückversicherung). Aufgrund dieser Sachlage sei es „offensichtlich, dass jeder einzelne Mitversicherer grundsätzlich administrative Aufgaben zur Abwicklung der Versicherungsvertrages zu übernehmen hätte“.

Des Weiteren wird die Überlassung der Kostenprämie durch die Mitversicherer an die führende Gesellschaft als Entschädigung für die Erbringung der administrativen Leistungen angeschaut. Der mehrwertsteuerlich relevante Leistungsaustausch (Leistung gegen Gegenleistung (Entgelt)) und somit die verlangte „innere wirtschaftliche Verknüpfung“ ist somit gemäss Bundesgericht gegeben.

Schlussendlich ging das Bundesgericht auf die Frage ein, ob Führungsleistungen als von der Steuer ausgenommene Versicherungsleistungen zu qualifizieren sei. Für die erbrachten Leistungen in den Jahren 2008 und 2009 argumentierte das Bundesgericht, dass Leistungen, welche nicht direkt an den Endverbraucher erbracht werden, nicht unter die gesetzlich aufgeführten Steuerausnahmen fallen können (sogenannte Vorumsatztheorie). Für die Leistungen in den Steuerjahren 2010 bis 2012 wurde aufgrund Verjährung nicht eingegangen und die Frage wurde bewusst offen gelassen.

 Ein klarer Entscheid des Bundesgerichts wäre wünschenswert gewesen

Das Bundesgericht bestätigt somit die Position der ESTV, dass die Führungsprovision aus Mitversicherung beziehungsweise die Kostenprämie eine zum Normalsatz steuerbare Leistung darstellt (vgl. dazu MBI-16 Ziff. 4.4). Gemäss Praxis stellen die Führungsleistungen keine Versicherungsleistungen im engeren Sinn dar, weil sie nicht der Deckung eines Risikos gegenüber den Mitversicherern besteht, sondern in der Erledigung von administrativen und organisatorischen Aufgaben (vgl. auch BVGer A-6671/2015 vom 09. August 2016, E. 4.1).

Mit dem Blick über die Grenzen werden Führungsleistungen tendenziell als steuerbare Leistungen qualifiziert. Wobei hier darauf hingewiesen muss, dass das Mehrwertsteuerrecht der Europäischen Union lediglich als Erkenntnisquelle und Auslegungshilfe dienen kann.

Im Hinblick zu der von der Steuer ausgenommenen Federführungskommission bei Konsortialkrediten im Bankengeschäft stellt sich die Frage, ob diese Leistungen nicht analog ausgelegt werden müssten. Die Federführungskommission bei Konsortialkrediten wird gemäss Praxis als von der MWST ausgenommen qualifiziert (MBI-14, Ziff. 6.2.2.1). Im Unterschied zur MWST-Ausnahme bei Versicherungen wird bei den MWST-Ausnahmen für das Kreditwesen stipuliert, dass auch die Verwaltung von Krediten ausgenommen ist (vgl. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 Bst. a MWSTG), was die unterschiedliche Auslegung rechtfertigen könnte.

Nichtsdestotrotz wäre ein klarer Entscheid des Bundesgerichts, der das geltende Gesetz einbezieht, wünschenswert gewesen, damit die Versicherungsbranche eine gewisse Rechtssicherheit hat. Dies, vor allem im Hinblick auf das Bundesverwaltungsgericht, das eine Vermittlungsprovision, mit einer veränderten Vertragsausgestaltung beziehungsweise entsprechenden Vertragsanpassungen, nicht konsequent auszuschliessen vermag.

Aufgrund der MWST-Branchen-Info 16 als Indiz und dieses Bundesgerichtsentscheids als Präjudiz muss man davon ausgehen, dass Führungsprovisionen aus Mitversicherung auch unter aktuellem MWSTG eine steuerbare Leistung darstellt.