National- und Ständerat behandelten in ihrer Frühjahrssession 2019 gleich mehrere Themen im Bereich der Mehrwertsteuer. Nachfolgend werden ausgewählte Geschäfte zusammengefasst und ein Überblick über die aktuell diskutierten Themen gewährt. Autoren: Andreas Wartmann, Benno Suter

 

Radio- und Televisionsgebühr

In den Geschäften 19.5034 sowie 19.5088 befasste sich der Nationalrat mit der RTV-Gebühr. In Bezug auf deren Entrichtung durch Arbeitsgemeinschaften kam aus dem Nationalrat die Frage, ob die mehrmalige Bezahlung der RTV-Gebühr durch Unternehmen, welche Teil mehrerer Arbeitsgemeinschaften sind, gerechtfertigt sei. Der Bundesrat räumte ein, dass das RTVG tatsächlich sehr schnell entstanden sei und verschiedene Hinweise bezgl. der vorliegenden Frage in Prüfung seien. Ob es zu einer Anpassung oder Gesetzesänderung kommen werde, liess der Bundesrat offen. 

Ebenfalls aus dem Nationalrat kam die Frage, inwieweit das Briefgeheimnis bei der Rechnung für die Unternehmensabgabe gewahrt werde (Geschäft 19.5035). Der Bundesrat bestätigte, dass diesbezüglich dasselbe Vorgehen angewandt werde wie bei den Schriftstücken der Mehrwertsteuer oder der direkten Steuern. Folglich werde das Brief- wie auch das Steuergeheimnis gewahrt. 

Subventionierte Aufgaben

Hinsichtlich der Erhebung der Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben (Geschäft 19.5068) verwies der Bundesrat auf diverse eingereichte Verstösse, insbesondere die Motion Vonlanthen 18.3540, welche der Nationalrat demnächst zu behandeln hat. Die Vernehmlassung zu den verschiedenen Änderungen des Mehrwertsteuergesetzes werde voraussichtlich im ersten Quartal 2020 eröffnet. 

Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen

Aus dem Nationalrat wurde die Motion 17.3657 zur Beseitigung der Ungleichbehandlung bezüglich Steuerbarkeit der Umsätze von Sport- und Kulturvereinen eingereicht. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt und deshalb zu beseitigen. Der Bundesrat zeigte Verständnis für den Vorstoss, betonte jedoch, dass Vorsicht geboten sei bei weiteren Ausnahmen. Die Ungleichheit sei zu Gunsten der Rechtssicherheit, Beständigkeit und Zuverlässigkeit der Gesetzgebung hinzunehmen.

Der Nationalrat nahm die Motion mit 161 zu 21 Stimmen bei 8 Enthaltungen an. 

Packages

Die eingereichte Motion 18.3235 Engler sieht vor, die heute geltende 70/30%-Regel auf 55/45% zu reduzieren. Entsprechend könnte das Gesamtpackage zum tieferen Steuersatz abgerechnet werden, wenn mindestens 55% der Gesamtleistung zu einem tieferen Steuersatz erbracht wird. Insbesondere relevant sind solche Packages im Bereich des Tourismus, der Hotellerie oder von Bäckereien und Gärtnereien. Der Bundesrat schätzt, dass eine entsprechende Änderung zu Steuerausfällen im zweistelligen Millionenbereich führen würde. Die vorberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) befand die Version des Ständerates jedoch als problematisch, da die Package-Lösung ebenfalls für die Bestimmung des Leistungsortes herangezogen werde. Entsprechend wären Leistungen, welche zu 55% im Ausland erbracht werden, vollständig von der Schweizer Mehrwertsteuer befreit. Um dieses Szenario auszuschliessen, änderte die WAK die Motion dahingehend ab, dass die Package-Lösung nur für im Inland erbrachte Leistungen gilt. Gegenstimmen aus dem Nationalrat kritisierten die Ausweitung der Mehrwertsteuerprivilegierung, dass diese in Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Akteuren führen würde. Der Bundesrat wagte sogar den Vergleich zu einer versteckten Subventionierung gewisser Branchen. Im Sinne der Gleichbehandlung aller Konsumenten sprach sich der Bundesrat gegen die Motion aus. Er betonte, die Mehrwertsteuer sei nicht das richtige Instrument zur Förderung betroffener Branchen.

Der Nationalrat stimmte mit 126 zu 54 Stimmen bei einer Enthaltung für den Antrag der Mehrheit und nahm somit die modifizierte Motion an.

Kommentar EY: Gänzlich ausser Acht gelassen wurde, dass auch Packages bestehend aus steuerbaren/ausgenommenen Leistungen davon betroffen sein könnten. 

Einkaufstourismus

Insgesamt wurden vier Geschäfte im Bereich des Einkaufstourismus behandelt. In der Standesinitiative 18.300 lud der Kantonsrat des Kantons St. Gallen die Bundesversammlung ein, die Wertfreigrenze von CHF 300 bei der privaten Wareneinfuhr ins Inland aufzuheben. Weiter forderte die Motion 17.3131 den Bundesrat auf, die Wertfreigrenze von CHF 300 auf CHF 50 zu reduzieren. Der Bundesrat beantrage im Mai 2017 die Ablehnung der Motion. Die Motion 17.3428 aus dem Ständerat beauftragte den Bundesrat, mit den Nachbarstaaten informatikgestützte Regelungen zu definieren, welche die ausländische Mehrwertsteuer bei Grenzübertritt automatisch zurückerstattet und die im Einfuhrland geltende Mehrwertsteuer aufrechnet. Alternativ wäre denkbar, auf die Rückerstattung zu verzichten und dem Nachbarstaat eine auf Einkaufserhebungen basierende Summe zu überweisen. Auch hier beantragte der Bundesrat im August 2017 die Ablehnung. In der Motion 17.3417 aus dem Nationalrat wurde der Bundesrat zur Einführung einer elektronischen Zollselbstdeklaration für die Mehrwertsteuer im Reiseverkehr aufgefordert. Der Bundesrat beantrage im August 2017 die Annahme der Motion, was der Nationalrat im September 2019 tat.

Die WAK sprach in ihrem Kommissionsbericht ihre Unterstützung aus für das Ziel, dem Einkaufstourismus entgegenzuwirken. Da der Bericht über die Auswirkung der Frankenstärke auf die Mehrwertsteuer des Bundesrates erst im 3. Quartal 2019 vorliegen soll, hat sich die Kommission dazu entschlossen, das Thema zu diesem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen und einen eigenen Kommissionsvorstoss einzureichen. Die Beratung der Motionen sowie der Standesinitiative konnte fristenbedingt nicht sistiert werden, weshalb es vorliegend zur Ablehnung der Motionen sowie der Standesinitiative kam.

Die Kommission beantragte, der Standesinitiative keine Folge zu geben und die drei Motionen abzulehnen (7 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Der Ständerat gab der Standesinitiative keine Folge und lehnte alle drei Motionen ab.

Ausländische Tour Operators

Aus dem Ständerat kam der Ordnungsantrag 18.4194 zur Zuweisung der Motion an die zuständige Kommission zur Vorprüfung, da inhaltlich etwas rückgängig gemacht werden soll. Die Rückgängigmachung solle zusammen mit der ganzen Mehrwertsteuer-Diskussion in die Kommission gegeben werden. Es wurde betont, dass die Massnamen begrüsst werden, diese jedoch noch dahingehend angepasst werden müssen, dass sie den Schweizer Tourismus nicht belasten. 

Digitalisierung

Die Interpellation 18.4277 im Bereich aktueller Herausforderungen im Bereich der Wareneinfuhrprozesse wurde aus dem Ständerat eingereicht. Der Bundesrat sollte Stellung dazu nehmen, welchen Zeitraum dieser für die Schaffung der nötigen technischen Voraussetzungen zur Senkung bzw. Abschaffung der MWST-Freigrenzen als realistisch erachte. Der Bundesrat unterstützte die Forderung nach Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse und Risikoanalysen. Das entsprechende Programm «Dazit» sei in Entwicklung, sodass sich der angefragte Zeitraum auf drei bis vier Jahre belaufen sollte. 

Entlastung KMU bei Administrativaufwand im Auftrag des Bundes

Die Motion 17.3844 aus dem Nationalrat fordert, dass Unternehmen, welche gegenüber dem Bund die Mehrwertsteuer abrechnen, eine Pauschale in Höhe von CHF 150 abziehen dürfen. Dies soll die Unternehmen für deren administrativen Aufwand symbolisch entschädigen. Die damit verbundenen Mindereinnahmen werden vom Bundesrat auf CHF 200 Millionen geschätzt. Der Bundesrat äusserte sich negativ zu der Motion, da das Bundesbudget einerseits begrenzt sei und der vorgeschlagene Betrag je nach Betrieb einen grösseren oder weniger grossen Einfluss habe.

Der Nationalrat lehnte die Motion mit 103 zu 82 Stimmen bei 8 Enthaltungen ab. 

Biersteuer

In der parlamentarischen Initiative 17.469 aus dem Nationalrat wurde die Abschaffung der Biersteuer gefordert. Diese sei willkürlich und führe zu einer Ungleichbehandlung von Bier gegenüber anderen (alkoholischen) Getränken. Die WAK beantragte, der Initiative keine Folge zu geben (16 zu 8 Stimmen). Sie vertrat die Meinung, die Aufhebung würde aus Sicht der Prävention ein falsches Signal senden und beispielsweise das Billigbier noch billiger machen. Jugendliche würden beim Rauschtrinken insbesondere auf Bier oder Spirituosen zurückgreifen, wobei auch Spirituosen aufgrund des Alkoholgehalts einer Steuer unterliegen. Zudem würde die Abschaffung mit Mindereinnahmen von CHF 113 Million einhergehen.

Der Nationalrat gab der parlamentarischen Initiative mit 110 zu 70 Stimmen bei 3 Enthaltungen keine Folge. 

Harmonisieren der Zinsen bei Bundessteuererlassen

Die Motion 16.3055 aus dem Nationalrat fordert die Harmonisierung der Zinsen bei Bundessteuererlassen und die Anbindung der Referenzzinssätze an die Marktentwicklung. Der Ständerat hat die Motion geändert und die Anpassung an die Marktentwicklung ersatzlos gestrichen. Die abgeänderte Motion wurde vom Bundesrat zur Annahme empfohlen. Anschliessend würde die abgeänderte Motion zusammen mit der parlamentarischen Initiative Regazzi (Koppelung an den Marktwert) zu einem Gesamtwerk aufgenommen, welches wiederum dem Parlament vorgelegt wird.

Der Nationalrat stimmte mit 118 zu 65 Stimmen bei 0 Enthaltungen für den Antrag der Mehrheit und stimmte der Änderung der Motion entsprechend zu. 

Reduzierter Mehrwertsteuersatz für Damenhygieneartikel

Die Motion 18.4205 aus dem Nationalrat beauftragt den Bundesrat zur Ausarbeitung einer Vorlage, wonach Damenhygieneartikel als lebensnotwendige Güter definiert und zum reduzierten Mehrwertsteuersatz versteuert werden sollen. Die Motion wurde vom Bundesrat zur Annahme beantragt und vom Nationalrat im März 2019 angenommen.