Verschmelzung von Online- und Offline-Handel. Wer die Vielfalt in der digitalen Klaviatur beherrscht, wird gewinnen!

Ich habe kürzlich ein Ruder-Fitness-Gerät gekauft. Und ich habe mich dabei verhalten, wie sich immer mehr Konsumenten verhalten: Ich habe mir mein Wunsch-Gerät in einem Spezialgeschäft angesehen. Ich habe verschiedene Marken ausprobiert, mich hineingesetzt und gerudert. Dann bin ich nach Hause gegangen. Einige Tage später, als ich nach einem köstlichen Barbecue im Garten sass und ich merkte, dass ich mich einmal mehr zu wenig bewegt hatte übers Wochenende, kaufte ich die Rudermaschine. Im Internet, bei einem anderen Händler, der mit der schnellsten Lieferung und einem animierenden Ruderathleten-Video geworben hat. Das ist natürlich bitter für das Fachgeschäft, bei dem ich die Maschine zuerst ausprobiert habe. Aber meine Gefühlslage im Garten zuhause haben meine Kaufentscheidung offenbar positiv beeinflusst und so traf ich sie erst zu diesem späteren Zeitpunkt. Und natürlich haben die zusätzlichen Informationen des Videos sowie das Angebot einer App für zukünftige Trainings meinen Kaufentscheid unterstützt.

So wie mir geht es heute vielen Konsumentinnen und Konsumenten: Sie kaufen ein Produkt nicht, weil sie es wirklich brauchen (wie Lebensmittel, WC-Papier, oder Druckerpatronen), sondern weil sie es sich wünschen, und es sich leisten können. Es kann sich dabei um ein Rudergerät, Schuhe, auserlesene Lebensmittel oder ein Gadget aus der Welt der Technik handeln. Ob der Kauf im Internet getätigt wird oder im Laden in der Stadt, ist egal. Wichtig bleibt: Die Konsumentin, der Konsument muss zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung in der richtigen Stimmung sein.

Wir beobachten seit einiger Zeit, wie Einkaufswelten geschaffen werden, um Shopping zu einem Erlebnis zu machen und vom reinen Kaufen des täglichen Bedarfs (Buying) abzuheben. Und wir stellen uns die Frage, wie sich der Konsument, die Konsumentin der Zukunft in diesen Einkaufswelten bewegt, welche Kaufentscheidungen sie treffen werden. Dieser Aufgabe widmet sich die Plattform FutureConsumer.Now.

In vielen Fällen ist es die interaktive Einkaufswelt, welche die Kaufentscheidung positiv beeinflusst – auch und sogar bei Lebensmitteln. Nicht umsonst gilt der im letzten Herbst eröffnete Supermarkt Habitat by Honestbee in Singapur als gutes Beispiel: Auf 60’000 Quadratmetern bietet der Next-Gen-Supermarkt ein vollwertiges Angebot mit mehr als 20’000 asiatischen und globalen Lebensmitteln und Zutaten sowie Artikeln des täglichen Bedarfs.

Man kann an einem der zahlreichen Marktstände einkaufen, wo man auch probieren und sich beraten lassen oder sogar an einem Workshop teilnehmen kann. Die Roboter in der Checkout-Station kümmern sich danach ums Scannen, Verpacken, Bezahlen und Liefern der Einkäufe. Die Kundinnen und Kunden können noch Zeit verbringen in einem der Restaurants, in einem Café oder einer Bar.

Inspirierende Erlebniswelten werden auch im Internet geschaffen. Den Möglichkeiten durch die Digitalisierung sind kaum Grenzen gesetzt: Video-Geschichten, differenzierende Kommunikationsmassnahmen, Social-Media-Influencer, Preisvergleichsmaschinen, Finanzierungslösungen, Abonnements oder exklusiver Service – den Ideen sind kaum Grenzen gesetzt. Das Spannende daran ist, dass ganz neue Geschäfts- und Vertriebsmodelle entstehen, welche traditionelle Wertschöpfungsketten auf den Kopf stellen. Ein Beispiel ist die Schokolade von Choba Choba: ein Unternehmen, an dem die Kakaobauern direkt beteiligt sind. Das soll die bewussten Konsumentinnen und Konsumenten ansprechen. Mit dem Kauf des Schoggi-Abos von Choba Choba wird man Teil einer „Revolution“. Dieses Beispiel zeigt, wie E-commerce direkte Kundeninteraktion ermöglicht.

Auch Habitat by Honestbee vereint Online-Shopping, App-Management und ein traditionelles (analoges) Handelserlebnis in einem. Das Online- und das Offline-Shopping gehen Hand in Hand. So können Online-Bestellungen zeitgleich ebenfalls direkt im Laden getätigt werden und in die Lieferung eingebunden werden. Der Supermarkt dient zudem als Abholstation für Online-Bestellungen.

Schön und gut. Aber ist das nicht eine Utopie für kleinere Läden und Fachgeschäfte? Die abnehmende Frequenz und der Margendruck im stationären Handel sind Realität. Und das Unterhalten von Erlebniswelten ist kostspielig.

Natürlich kann sich nicht jedes Geschäft von heute auf morgen in eine technologisch hochstehende Einkaufslandschaft verwandeln. Aber die Kombination eines analogen Einkaufserlebnisses mit Online-Shopping ist möglich. Wichtig ist, dass Online- und Offline-Handel Hand in Hand gehen und sich ergänzen statt konkurrenzieren. Konkret: Der Berater im Geschäft für Rudergeräte hätte mir die Ruder-App live im Laden präsentieren können und zudem anbieten können, dass ich den Kauf online tätigen kann. Direkt bei ihm. Die Vertrauensbasis war ja da, nur der Zeitpunkt stimmte nicht.

Intuitive Käufe (Shopping) werden immer wichtiger. In Zukunft wird es deshalb über die Frage hinausgehen, die wir bereits in unserem FutureConsumer.Now-Blog aufwerfen:  «Wie verkaufe ich ein Produkt an Konsumenten, die nichts mehr kaufen wollen». Zusätzlich wird es um die Frage gehen «Wie verkaufe ich ein Produkt, von dem der Kunde noch gar nicht weiss, dass er es kaufen will?»

In diesem Zusammenhang zeigen sich weitere Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden, aber auch von Handelsunternehmen.

Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Tatsache, dass viele Konsumenten – laut Umfragen bis zu 80 Prozent – ihren Online-Kaufprozess abbrechen, weil sie nicht auf Rechnung einkaufen können, muss sie dazu bewegen, den Kauf auf Rechnung vermehrt anzubieten. Dies mindert das Sicherheitsrisiko und die Ware kann vor dem Bezahlen geprüft und zurückgegeben werden. Gleichzeitig bedeutet dies für die Händler, dass sie Lösungen brauchen, die das Betrugsrisiko bei Online-Einkäufen auf Rechnung verringern.

Ein weiteres Bedürfnis gibt es für Handelsunternehmen, die ihre Finanzabschlüsse nach Regeln der Internationalen Rechnungslegung (IFRS) aufstellen. Für den Wertminderungstest langfristiger Vermögenswerte wie Ladeneinrichtung oder Immobilien müssen die betroffenen Unternehmen jeden einzelnen Laden als „zahlungsmittelgenerierende Einheit“ (international: Cash Generating Unit, CGU) bestimmen. Wenn nun die Umsätze im Laden ausbleiben, droht eine ausserplanmässige Wertminderung oder sogar eine Rückstellung.

Diese Buchhaltungsregel ist anachronistisch, denn der einzelne Laden ist oft nicht mehr Start, Mittel- oder Endpunkt des Kaufprozesses. Impuls, Recherche, Beratung, Kaufabschluss, Lieferung, Zahlung, Umtausch und Kundenbindung erfolgen immer öfter an verschiedenen Orten. Bei der Identifizierung einer CGU sollte das konkrete Geschäftsmodell des Retailers berücksichtigt werden. Ist die Filiale ein reiner Showroom? Gibt es ein „Click and Collect“-Modell? Werden die stationären und die Online-Umsätze aggregiert überwacht? Wie werden die Abhängigkeiten der verschiedenen Vertriebsmodelle gemessen? Die Definition der CGU muss den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Fazit: Das Internet verändert die Handelswelten dramatisch. Stationärer und Online-Handel verschmelzen. Der Kampf um die Wertschöpfungskette führt zu neuen Vertriebs- und auch Vergütungsmodellen. Neue Bedürfnisse entstehen, aber die Vielfalt der digitalen Klaviatur bietet viele Chancen.

FutureConsumer.Now. The future of tomorrow really starts now. Is your company ready for it? And what will this future look like? That’s why at EY we have started the FutureConsumer.Now Initiative. FutureConsumer.Now is a global EY program that is helping business leaders understand the future consumer, so they can shape their business for tomorrow. It is built around a series of global hackathons held in Berlin, London, Los Angeles, Mumbai and Shanghai. Business leaders, future-thinkers, and EY professionals came together to explore eight hypotheses about the changing consumer. Then they defined and modelled 15 future consumer worlds that might emerge. Find out more at www.ey.com/futureconsumernow.


English version


Online or offline? In retail both must co-exist

In the fusion of online and offline commerce, whoever can master the many facets of digital retailing will be victorious!

I recently bought a rowing machine and I did exactly what more and more consumers are doing these days. I went to a specialist store to check out which machine suited me. I rowed in each model to see which one I liked best, and then I went home. A few days later while relaxing in the garden after a delicious barbecue lunch, I realized once again that I hadn’t done much exercise over the weekend, so I finally bought a rowing machine. An online vendor won me over, advertising the fastest delivery along with a convincing video of an athletic rower using the machine. Naturally, this was not good news for the specialist store where I had first tried out the machine. But the uncomfortable feeling of not being active enough that afternoon in the garden obviously influenced my purchase decision at that particular point in time. The additional information in the video and the promise of an app providing future training obviously convinced me to make the purchase.

Many consumers nowadays behave in the same way. They do not buy a product out of basic need, i.e. food, toilet paper or printer cartridges, but rather because they desire it and can afford it. Whether it is a rowing machine, a pair of shoes, a fancy food treat or a technical gadget, it doesn’t matter if it is bought online or in a city center boutique. The most persuasive factor is having the all-important right mindset when making the decision to buy.

For a while now, we have seen how the shopping universe is creating an ‘experience’ as opposed to the mere buying of day-to-day essentials. We want to know how future consumer behavior will adapt to these shopping worlds and which purchase decisions they will make. The FutureConsumer.Now platform is dedicated to exploring this topic in full.

In many cases, immersive retail experiences have a positive influence on purchasing decisions – even when it comes to buying food. The Habitat by Honestbee supermarket which opened last autumn in Singapore is a great example of this. With a vast 60,000 m2 surface area, the next-gen supermarket offers a full range of more than 20,000 Asian and global food products and ingredients as well as day-to-day consumer items.

You can shop at one of the many market stalls where you can also taste or try products, get advice or even take part in workshops. The robots manning the checkout station take care of scanning, packing, payment and delivery of purchases. Shoppers can also spend time in the onsite restaurants, cafes and bars.

The Internet also opens up a world of inspiring shopping experiences. The possibilities offered by digitization are almost limitless through video story-telling content, distinctive communication campaign, social media influencers, price comparison tools, financing solutions, subscriptions or exclusive services. The scope of ideas is practically unlimited. Completely new exciting business and sales models are emerging, revolutionizing traditional value chains. One example is Choba Choba chocolate: a company in which cocoa farmers have a direct stake. The product is intended to appeal to conscious consumers. By purchasing Choba Choba chocolate you become part of a “revolution”, with this example showing how e-commerce enables direct customer interaction.

Habitat by Honestbee also combines online shopping, app management and traditional retail experience in one. Online and offline shopping go hand in hand with the option of placing online orders in the store and adding them to the delivery. The supermarket also has a pickup point for online orders.

This is all well and good, but is it only a fantasy for smaller shops and specialist stores? A declining footfall and pressure on margins in over-the-counter retailing are today’s reality. Creating and maintaining retail experiences is costly.

Of course, not every store can be transformed into a technologically advanced shopping landscape overnight, but the combination of an analogue and online shopping experience is possible. It is vital that online and offline retailing go hand in hand and complement each other instead of competing. In more specific terms, the sales assistant in the rowing machine store could have shown me the rowing app while I was there and suggested that I buy the machine directly from him via the online store. The basis of trust had been established, only the time was not right.

Intuitive purchases are becoming increasingly common. The question already raised in our FutureConsumer.Now article: “How would you sell to people who never buy anything?” is eclipsed by the following one: “How do I sell a product before the customer even realizes he wants to buy it?”

In this context, both customers and retailers have further needs.

Two examples illustrate this below. The fact that many consumers (up to 80 percent according to surveys) abandon online purchases because they have to pay up front should encourage retailers to offer greater opportunities for invoice or account-based purchases. This reduces the security risk and the goods can be checked and returned before payment. However, it also means that vendors need solutions that reduce fraud risk when it comes to buying online on-account.

There is also a need for retailers to prepare their financial statements in accordance with International Financial Reporting Standards (IFRS). For the impairment test of non-current assets like shop fittings or real estate, retailers must classify each individual shop as a cash-generating unit (CGU). If the store fails to generate sales, there is a risk of impairment or even a provision.

This accounting rule is anachronistic, because the individual store is often no longer the start, middle or end point of the purchasing process. The buying impulse, research, advice, conclusion of sale, delivery, payment, exchange and customer loyalty increasingly take place at different locations. When identifying a CGU, the retailer’s existing business model should be taken into account. Is the outlet merely a showroom? Is there a click and collect model? Are over-the-counter and online sales monitored on an aggregated basis? How are the dependencies of the different sales models measured? The definition of the CGU must be adapted to the new circumstances.

In conclusion, the Internet is revolutionizing retailing with a merger of over-the-counter and online commerce. The struggle for the value-creation chain paves the way for new sales and payment models. New requirements are emerging, but the many facets of online retailing offer as many opportunities.  

FutureConsumer.Now. The future of tomorrow really starts now. Is your company ready for it? And what will this future look like? That’s why at EY we have started the FutureConsumer.Now Initiative. FutureConsumer.Now is a global EY program that is helping business leaders understand the future consumer, so they can shape their business for tomorrow. It is built around a series of global hackathons held in Berlin, London, Los Angeles, Mumbai and Shanghai. Business leaders, future-thinkers, and EY professionals came together to explore eight hypotheses about the changing consumer. Then they defined and modelled 15 future consumer worlds that might emerge. Find out more at www.ey.com/futureconsumernow.