Insgesamt herrscht in der Schweiz im internationalen Vergleich eine relativ hohe Eigentümerkonzentration vor. Die beiden wichtigsten Aktionärstypen sind individuelle Outsider und institutionelle Investoren. Ein von manchen befürchteter Ausverkauf des Swiss Leader Index an ausländische Inverstoren lässt sich nicht nachweisen.
Wer sind die Aktionäre von Schweizer Publikumsgesellschaften? Wie viele Aktien werden von inländischen Aktionären gehalten und wie viele von ausländischen? Welche Veränderungen lassen sich allenfalls im Zeitablauf feststellen? Und was lässt sich daraus aus der Sicht des Kapitalmarktes Schweiz schliessen?
Um diese Fragen zu beantworten, hat EY für den Zeitraum 2012-2019 die Aktionärsstruktur der dreissig Unternehmen des Swiss Leader Index (SLI) untersucht.
Aktionäre im SLI: Herkunft und Internationalisierung
Der von der Schweizer Börse berechnete SLI umfasst die dreissig liquidesten und grössten Schweizer Aktientitel, welche im Gesamtmarktindex SPI enthalten sind.[1]
Als erstes lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Aktien in Händen inländischer Aktionäre seit 2012 stabil geblieben ist. Im Durchschnitt halten Schweizer Aktionäre rund 27 % der meldepflichtigen Anteile von SLI‑Gesellschaften. Europäische und nordamerikanische Aktionäre hielten im untersuchten Zeitraum zwischen 17,8 % und 19,8 % (Nordamerika) bzw. zwischen 14,8 % und 14,4 % (Europa). Rund 36 % der Aktien befanden sich im Streubesitz (nicht zuordenbar).
Vielleicht etwas überraschend entfällt im Durchschnitt lediglich ein geringer Teil der Aktien (zwischen 1,0 % (2012) und 3,0 % (2019)) auf Aktionäre aus der übrigen Welt, Tendenz leicht steigend.
Aktionärstypen und ihre Anteile
Aktionärstypen und ihr (Spannungs-)Verhältnis zum Unternehmen sind ein vieldiskutiertes Thema. Im Fokus stehen Risikoappetit und Investitionshorizont der unterschiedlichen Aktionärstypen, welche die Lang- vs. Kurzfristorientierung im Unternehmen massgeblich beeinflussen.
Nimmt man die Aktionärstypen im SLI genauer unter die Lupe, so kann festgestellt werden, dass 2020 in allen Unternehmen des SLI durchschnittlich 46,56 % der insgesamt ausstehenden Aktien von individuellen Outsidern (d.h. von individuellen externen Aktionären) gehalten werden, gefolgt von 37,55 %, die von institutionellen Investoren gehalten werden. Diese beiden Kategorien verkörpern die zwei bei Weitem wichtigsten Aktionärstypen in der Schweizer Aktionärslandschaft. Weitere bedeutende Aktionärstypen sind individuelle Insider, bei denen es sich typischerweise um Verwaltungsrat und Geschäftsleitung handelt, sowie private, nicht börsennotierte Unternehmen.
Eine hohe Eigentümerkonzentration deutet in aller Regel auf einen hohen Anteil langfristig orientierter Grossaktionäre hin, welche ihre Aktienpakete nicht ohne Weiteres ohne negative Auswirkungen auf den Aktienkurs verkaufen können. Allerdings lässt sich in der wissenschaftlichen Forschung kein eindeutig positiver Zusammenhang zwischen Eigentümerkonzentration und Unternehmensperformance feststellen. Vielmehr wird eine hohe Eigentümerkonzentration mit der Unternehmensgrösse oder etwa mit Ergebnisvolatilität in Verbindung gebracht: Je grösser das Unternehmen, desto tiefer die Eigentümerkonzentration und je höher die Ergebnisvolatilität, desto höher die Eigentümerkonzentration. Folglich attrahieren SLI-Gesellschaften in erster Linie «geduldiges Kapital» mit einem langfristigen Investitionshorizont, wordurch sie eine gewisse Kursvolatilität aushalten können.
Zu- und Verkäufe von Schweizer Aktien aus internationaler Sicht
Nimmt man die einzelnen Regionen «Schweiz», «Europa», «Nordamerika» und «übrige Welt» genauer unter die Lupe, so lässt sich zunächst feststellen, dass 2019 in sieben (23 %) der dreissig Unternehmen die Mehrheit (> 50 %) der zuordenbaren Aktienpaketevon in der Schweiz ansässigen Aktionären gehalten wurde.
In einem Unternehmen (3,3 %) hielten europäische Aktionäre die meisten (nicht aber die Mehrheit) meldepflichtigen Aktienpakete, in fünf (16,7 %) nordamerikanische und in keinem (0 %) waren es Aktionäre der übrigen Welt. In 16 (53,3 %), also in über der Hälfte der Unternehmen befindet sich der Grossteil der Aktien im Streubesitz. Generell sind sowohl Streubesitz als auch Aktienverteilung zwischen den Weltregionen über den untersuchten Zeitraum über alle Unternehmen hinwegrelativ stabil geblieben.
Doch lassen sich in einzelnen Unternehmen interessante Bewegungen feststellen: Gesamthaft betrachtet lässt sich für den untersuchten Zeitraum eine leichte Verschiebung der Aktien zugunsten ausländischer Investoren feststellen, die 2019 tendenziell mehr Aktienpakete hielten als noch 2012. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen, da die Nationalität der Eigentümer von sich im Streubesitz befindenden Aktien hier nicht ermittelt werden konnte. Zudem sind in den Daten etwaige Akquisitionen durch ausländische Investoren nicht berücksichtigt, da die Analyse auf der SLI-Zusammensetzung per 31.12.2019 basiert.
Betrachtet man die Bewegungen in der Kategorie der nicht zuordenbaren Aktien (Streubesitz), so lässt sich die leicht steigende Konzentration in der Schweizer Aktionärslandschaft dadurch erklären, dass im untersuchten Zeitraum mehr kumulierte Aktienpakete von über 3 % gebildet als aufgelöst wurden.
Zusammenfassung
Diejenigen Kreise, die einen internationalen Ausverkauf des SLI befürchten, können beruhigt sein: Insgesamt herrscht in der Schweiz im internationalen Vergleich nach wie vor eine relativ hohe Eigentümerkonzentration vor.
Zudem befinden sich in über 80 % der SLI-Gesellschaften die grössten Aktienpakete entweder in den Händen inländischer Investoren oder im Streubesitz. Davon sind rund 30 % Familienunternehmen, also Unternehmen unter der Kontrolle der Gründerfamilie. Institutionelle Investoren, inkl. Pensionskassen, spielen eine wichtige Rolle als Kapitalgeber.
Allerdings sind grosse Pakete im Besitz von als kurzfristig orientiert geltenden Investoren (Hedge Funds, Private Equity, Venture Capital) relativ selten. Geht man davon aus, dass Grossaktionäre eine gewinnbringende Rolle im System der Checks and Balances spielen, da sie sowohl Anreiz als auch Möglichkeit zur Einflussnahme haben, so können wir konstatieren, dass diese Governance-Mechanismen im Schweizer Kontext greifen, zumal es sich dabei um sogenanntes «geduldiges Kapital» mit Langfristorientierung handelt.
Dennoch gibt es gute Gründe, eine höhere Kapitalmarktliquidität auch in der Schweiz anzustreben: International anerkannte Accounting Standards, allgemein höhere Offenlegungs- und Transparenzpflichten, ein verbesserter Schutz der Minderheitsaktionäre sowie hohe Corporate Governance Standards senken – aus Unternehmenssicht – die Kosten von sowohl Fremd- als auch Eigenkapital und machen die Schweizer Unternehmen für inländische und für ausländischen Investoren attraktiv. Dies zumal sich auch die traditionell engen Beziehungen zwischen Unternehmen und Banken über die Jahre aufgeweicht haben: Auch Banken fördern heute eher finanzielle Liquidität anstelle finanzieller Verpflichtungen.
Schliesslich sprechen auch der soziodemographische Wandel, eine alternde Bevölkerung und der steigende Bedarf nach Erträgen für Vorsorgevermögen für die Notwendigkeit attraktiver Kapitalmärkte. Alles gute Gründe für die Sicherstellung einer angemessenen Kapitalmarktliquidität – und entsprechender Regulierung zum Schutz der Minderheitsaktionäre und Förderung der Aktionärsrechte, wie es mit der aktuellen Aktienrechtsrevision in der Schweiz angestrebt wird.
[1] Die Datenanalyse basiert auf der Indexzusammensetzung per 31.12.2019 und macht entsprechende Aussagen zu den Gesellschaften, die zu diesem Stichtag im SLI enthalten waren.