Da wegen der bundesrätlich angeordneten Massnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine Konkurswelle befürchtet wird, hat der Bundesrat gezielte Massnahmen im Sanierungsrecht erlassen.

Gemäss Art. 725 Abs. 2 OR muss der Verwaltungsrat bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung unverzüglich eine Zwischenbilanz erstellen und von einem zugelassenen Revisor prüfen lassen. Ergibt sich aus der Zwischenbilanz, dass die Gesellschaft überschuldet ist, hat der Verwaltungsrat den Richter zu benachrichtigen, sofern nicht Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten. Art. 1 der COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht («Verordnung») entlastet den Verwaltungsrat von der Anzeigepflicht der Überschuldung, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • die Gesellschaft war am 31. Dezember 2019 nicht überschuldet; und
  • es besteht die Aussicht, dass die Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 behoben werden kann.

Zu beachten ist, dass die weiteren Pflichten des Verwaltungsrates nach Art. 725 OR unverändert bestehen bleiben. Insbesondere besteht bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung weiterhin die Pflicht, eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und zu Liquidationswerten zu erstellen. Hingegen ist die Prüfung der Zwischenbilanz durch einen zugelassenen Revisor nicht erforderlich (Art. 1 Abs. 3 der Verordnung).

Nicht nur der Verwaltungsrat, sondern auch die Revisionsstelle sind von der Pflicht befreit, das Gericht zu benachrichtigen, sofern der Verwaltungsrat gemäss Verordnung auf die Anzeige verzichten darf.

Die Bestimmung über die Aussetzung der Anzeigepflicht gilt für Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Genossenschaften und Stiftungen. Sie gilt jedoch nicht für Finanzdienstleister und Banken.

Voraussetzung 1: Keine Überschuldung am 31. Dezember 2019

Zur Vermeidung aufwändiger Unternehmensanalysen bzw. Feststellungsanforderungen zum Kausalzusammenhang zwischen der Pandemie und dem negativen Bilanzbild wurde ein Stichtag (31. Dezember 2019) in der Verordnung festgelegt. Für viele Unternehmen dürfte dieser Stichtag mit dem Abschlussdatum des Geschäftsjahres zusammenfallen, so dass diese Gesellschaften keine zusätzliche Bilanz zu erstellen haben. Um zu verhindern, dass Gesellschaften, die bereits vor der Pandemie überschuldet waren, überfällige Sanierungsmassnahmen weiter verschleppen können und sich der Schaden für die Gläubiger bei solchen Gesellschaften weiter vergrössert, fallen solche Gesellschaften nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung. Zu beachten ist, dass Gesellschaften, die am 31. Dezember 2019 über Rangrücktritte von Gläubigern verfügten und nur deshalb nicht verpflichtet waren, das Gericht zu benachrichtigen, als überschuldet gelten.

Voraussetzung 2: Aussicht auf Behebung Überschuldung bis 31. Dezember 2020

Der Verwaltungsrat muss die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft umfassend analysieren und eine Prognose für die wirtschaftliche Erholung der Gesellschaft per Ende 2020 abgeben. Dafür eignen sich die Erstellung einer Zwischenbilanz zu Fortführungs- und zu Liquidationswerten sowie Liquiditätspläne. Schliesslich hat der Verwaltungsrat seinen Entscheid, dass beide Voraussetzungen erfüllt sind und auf die Benachrichtigung des Richters deshalb verzichtet wird, schriftlich festzuhalten und zu begründen. Der Entscheid dürfte im Rahmen eines Verwaltungsratsprotokolls festgehalten werden, zudem ist zu empfehlen, alle Belege, die zu dieser Entscheidung geführt haben, als Beilage zum Verwaltungsratsprotokoll aufzubewahren.

COVID-19-Stundung

Die Verordnung führt auch eine neue Stundungsart, die sogenannte «COVID-19-Stundung» ein. Die COVID-19-Stundung können Einzelunternehmungen, Personengesellschaften oder juristische Personen beantragen. Sie ist auf KMU ausgerichtet und steht Publikumsgesellschaften und anderen grösseren Gesellschaften, die im Jahr 2019 zwei der Grössen nach Art. 727 Abs. 1 Ziff. 2 OR (Bilanzsumme von CHF 20 Mio., Umsatzerlös von CHF 40 Mio., 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt) überschritten haben, nicht offen.

Bei der COVID-19-Stundung handelt es sich um eine vereinfachte, abgespeckte provisorische Nachlassstundung. Sie hat – aus Sicht der auf Grund der Pandemie in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmung (Schuldner) – gegenüber der provisorischen Nachlassstundung den Vorteil, dass sie nahezu voraussetzungslos gewährt wird. Verlangt wird einzig, dass das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht überschuldet gewesen war oder im Umfang der Überschuldung Rangrücktritte vorlagen. Da in der Regel kein Sachwalter bestellt wird, fallen diesbezüglich keine zusätzlichen Kosten an. Sie kann in einem ersten Schritt für höchstens drei Monate beantragt werden. Bei Bedarf kann sie um maximal drei Monate verlängert werden. Die Bewilligung der COVID-19-Stundung wird öffentlich bekannt gemacht.

Der COVID-19-Stundung unterliegen sämtliche Forderungen gegen das Unternehmen, die vor der Bewilligung entstanden sind. Demnach können während der Stundungsdauer keine Betreibungen eingeleitet oder fortgesetzt werden, die von der Stundung erfasst sind. Auch darf das Unternehmen die Forderungen, die der Stundung unterliegen, nicht bezahlen. Zu beachten ist, dass die Zinsen – anders als bei der Nachlassstundung – für sämtliche Forderungen weiterlaufen. Im Gegensatz zur provisorischen Nachlassstundung sind jedoch die Forderungen der ersten Klasse, d.h. unter anderem die Lohnforderungen, von der Stundung ausgenommen. Diese Forderungen dürfen bezahlt werden. Für solche Forderungen kann auch eine Betreibung eingeleitet und fortgesetzt werden. Die Fortsetzung erfolgt jedoch als Betreibung auf Pfändung (oder Pfandverwertung) und nicht auf Konkurs. Ebenso dürfen neue Verbindlichkeiten bezahlt werden, da diese von der Stundung nicht erfasst sind. Dadurch können sich die Unternehmungen auf das laufende Geschäft konzentrieren.

Während der COVID-19-Stundung kann das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit fortsetzen, damit es auch nach dem Wegfall der Stundung weitergeführt werden kann. Da in der Regel kein Sachwalter eingesetzt wird, wird das Unternehmen während der Stundung nicht überwacht. Das Unternehmen darf jedoch während der Stundung nicht alle Handlungen vornehmen. Insbesondere dürfen keine Handlungen vorgenommen werden, die die berechtigten Interessen der Gläubiger beeinträchtigen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer begünstigen. Anlagevermögen darf nur mit Zustimmung des Nachlassgerichtes belastet oder veräussert werden, dasselbe gilt für die Bestellung von Pfändern.

Nach Ablauf der Stundungsfrist endet die COVID-19-Stundung ohne weiteres. Es muss weder ein Nachweis einer erfolgreichen Sanierung noch der Abschluss eines Nachlassvertrages erbracht werden.

Anpassungen im Nachlassverfahren auf Grund der Pandemie

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht hat der Bundesrat zudem Abweichungen von einzelnen Bestimmungen des Nachlassverfahrensrechts beschlossen. So muss bei der Einleitung des Nachlassverfahrens kein provisorischer Sanierungsplan eingereicht werden und die maximale Gesamtdauer der provisorischen Nachlassstundung beträgt sechs Monate.

Sanierungsoptionen in der Pandemie-Krise

Unternehmungen, die sich auf Grund der Pandemie-Massnahmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, haben neu folgende drei Sanierungsoptionen:

  • Privatrechtliche Sanierung
  • Nachlassstundung
  • COVID-19-Stundung.

Das Unternehmen kann weiterhin im Rahmen einer privatrechtlichen Sanierung versuchen, durch Verhandlungen mit den einzelnen Gläubigern eine Stundung oder einen Forderungserlass zu vereinbaren. Dabei besteht kein Betreibungsschutz. Die Verhandlungen und deren Resultat werden nicht öffentlich bekannt gemacht, d.h. die breite Öffentlichkeit erfährt nichts von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens.

Die (vom Gericht gewährte) Nachlassstundung schützt das Unternehmen vor Betreibungen, stoppt den Zinsenlauf, Zivilprozesse und Verwaltungsverfahren über Nachlassforderungen werden sistiert und der Schuldner hat die Möglichkeit Dauerschuldverhältnisse vorzeitig aufzulösen. Bei der Nachlassstundung ernennt das Gericht einen oder mehrere Sachwalter. Die Nachlassstundung ist zeitlich begrenzt (provisorische Stundung: momentan max. sechs Monate, definitive Stundung: max. zwölf Monate; in besonders komplexen Fällen max. 24 Monate). In begründeten Fällen kann auf die öffentliche Bekanntmachung der provisorischen Stundung verzichtet werden, die definitive Stundung ist zu publizieren. Die Nachlassstundung endet entweder, wenn der Schuldner saniert ist oder durch Abschluss eines Nachlassvertrages (Dividendenvergleich oder Vermögensabtretung) mit den Gläubigern, andernfalls wird der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet.

Die COVID-19-Stundung ist eine vereinfachte, abgespeckte provisorische Nachlassstundung. Sie wird nahezu voraussetzungslos gewährt. In der Regel wird kein Sachwalter eingesetzt. Die COVID-19-Stundung endet nach Ablauf der Stundungsfrist ohne weiteres. Vgl. im Übrigen obenstehende Ausführungen zur COVID-19-Stundung.

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