Trotz Homeoffice-Pflicht ist sicherzustellen, dass Veranlagungen und Gerichtsurkunden wie bisher zugestellt werden können.
In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob eine Gerichtsurkunde für eine steuerpflichtige Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz (oder im Ausland) dem Verwaltungsrat auch an sein Feriendomizil im Ausland (oder in der Schweiz) zugestellt werden darf. Hierbei gilt gemäss dem neusten Bundesgerichtsentscheid: Trotz COVID-19 und der im Steuerjahr 2020 weitestgehend bestandenen Homeoffice-Pflicht dürfen Gerichtsbehörden weiterhin keine Amtshandlungen auf dem Territorium eines anderen Staates vornehmen und somit auch keine Gerichtsurkunden an ein Zustelldomizil im Ausland versenden. Unabhängig vom Arbeitsort der Mitarbeitenden ist deshalb sicherzustellen, dass in der Schweiz ein Zustellungsdomizil besteht, wo die Korrespondenz bearbeitet und nötigenfalls weitergeleitet wird.
Keine Vornahme von Amtshandlungen im Ausland
Aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols bzw. dem Territorialitätsprinzip dürfen im Ausland keine Amtshandlungen vollzogen werden. Damit ist das Versenden von Verfügungen und Gerichtsurkunden von Schweizer Verwaltungs- und Gerichtsbehörden an ein Domizil im Ausland nicht möglich. Entsprechend sehen beispielsweise die Steuergesetze ausdrücklich vor, dass bei einem Steuerpflichtigen mit Sitz im Ausland ein inländisches Zustelldomizil oder eine inländische Vertretung zu bezeichnen ist.
Das Territorialitätsprinzip kommt im Übrigen auch umgekehrt zum Tragen. Hierzu kennt das Schweizer Strafgesetzbuch mit Art. 271 StGB auch eine Schutznorm, welche die Vornahme und Unterstützung von Amtshandlungen fremder Staaten unter Strafe stellt. Diese Norm hat in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung an ausländische Steuerbehörden zu Reden gegeben, beschlägt aber jegliche Amtshandlung ausländischer Staaten.
Zeitpunkt der Zustellung
Gewisse Rechtswirkungen wie beispielsweise der Beginn einer Rechtsmittelfrist hängen vom Zeitpunkt der Zustellung einer Verfügung oder eines Entscheids ab. Insbesondere wenn die Sendung nicht physisch übergeben wird ist deshalb wichtig zu wissen, wann die Zustellung als erfolgt gilt.
Als Zustellung gilt grundsätzlich der Zeitpunkt der Entgegennahme. Soweit eine Schweizer Verwaltungsbehörde ein Schriftstück durch eingeschriebene Briefpost versendet und dieses vom Empfänger nicht entgegengenommen oder bei der Post nicht abgeholt wird, gilt die Zustellung in der Regel am siebenten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt (sog. Zustellfiktion). Praxisgemäss greift diese Zustellfiktion auch, wenn der Post ein Rückbehaltungs- oder ein Nachsendeauftrag erteilt wurde, soweit die Sendung von der betroffenen Person mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste. Gemäss der geltenden Bundesgerichtspraxis ist es bei einem hängigen Gerichtsverfahren angezeigt, dass Privatpersonen bis zu einem Jahr seit der letzten verfahrensrechtlichen Handlung mit der Zustellung eines Schriftstücks rechnen müssen und nach Treu und Glauben dafür zu sorgen haben, dass behördliche Akten zugestellt werden können. Bei Vorliegen eines Rückbehaltungs- oder Nachsendeauftrages müssen sie sich dabei auch die Fehlleistungen der Post anrechnen lassen.
Keine Erleichterungen in der aktuellen Krisensituation
Diese Rechtslage wurde kürzlich wieder vom Bundesgericht bestätigt. Zudem hat es festgehalten, dass auch die aktuelle Situation mit Homeoffice-Pflicht nichts daran ändert. Beschwerdeführerin war eine steuerpflichtige Gesellschaft mit Sitz im Kanton Zürich. Diese gelangte noch vor Bekanntwerden von COVID-19 mittels Beschwerde gegen Veranlagungsverfügungen an das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich. Mit Entscheiden vom 14. Juli 2020 wies das Steuerrekursgericht die angehobenen Rechtsmittel ab und versandte am 16. Juli 2020 die Entscheide als Gerichtsurkunden an die Adresse der Steuerpflichtigen. Der in der Schweiz wohnhafte Verwaltungsratspräsident der Gesellschaft hat sich aus Furcht vor COVID-19 jedoch in sein Feriendomizil in Deutschland zurückgezogen und der Post AG für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis zum 20. August 2020 für die Steuerpflichtige einen Nachsendeauftrag an sein Feriendomizil erteilt. Da die Post die Nachsendung von Gerichtsurkunden gemäss ihren AGB ins Ausland generell ausschliesst, wurde der Entscheid des Steuerrekursgerichts des Kantons Zürich der Steuerpflichtigen nicht zugestellt. Dadurch sind die gesetzlichen Rechtsmittelfristen für eine Beschwerde gegen die Steuerrekursentscheide abgelaufen.
Das Bundesgericht hält fest, dass vom Verwaltungsratspräsident zu erwarten gewesen wäre, dass dieser abklärt, ob Gerichtsurkunden von der Post auch ins Ausland weitergeleitet würden. Zudem wäre mit hinreichenden organisatorischen Massnahmen die Nichtzustellung vermeidbar gewesen. Entsprechend macht das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Zustellung von Gerichtsurkunden ins Ausland und einer möglichen Fristwiederherstellung aufgrund der ausserordentlichen Situation im Jahr 2020 keine Ausnahme von seiner bestehenden Praxis.
Fazit
Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist deshalb trotz oder gerade eben wegen COVID-19 und der damit verbundenen Homeoffice-Pflicht sicherzustellen, dass Veranlagungen und Gerichtsurkunden wie bisher zugestellt werden können und an die intern zuständige(n) Person(en) zur Bearbeitung weitergeleitet werden.
Dies gilt natürlich auch über die Zeit der aktuellen Pandemie hinaus. Dabei ist damit zu rechnen, dass viele Unternehmen aufgrund von COVID-19 ihr Arbeitsmodell anpassen und die Arbeitnehmer auch zukünftig vermehrt von zu Hause aus arbeiten. Entsprechend stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, ihre organisatorischen Abläufe anzupassen, um jederzeit eine lückenlose Bearbeitung der eingehenden (physischen) Post sicherzustellen. Sofern intern nicht die notwendigen Ressourcen vorhanden sind, kann dafür ein Rechtsvertreter als Zustellungsdomizil bestellt werden.
EY hat grosse Erfahrung in der Tax Compliance und im Führen von Rechtsmittelverfahren. Dabei agieren wir für viele unserer Kunden auch als Zustelldomizile. Dadurch stellen unsere Kunden sicher, dass trotz Homeoffice oder Auslandaufenthalt die Fristen nicht wie im hiervor erwähnten Fall ablaufen und ein wirksamer Rechtschutz verfällt.