Das Bundesgericht spricht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2021 (2C_263/2020) einer Gesellschaft, deren schweizerische Tätigkeit sich auf die Vermietung von Kunstgegenständen an ihren wirtschaftlich Berechtigten beschränkt, grundsätzlich eine unternehmerische Tätigkeit zu. Im konkreten Fall sieht das Bundesgericht allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerumgehung als erfüllt und erkennt der vermietenden Gesellschaft die Steuerpflicht in der Schweiz ab.

Eine Gesellschaft mit Sitz auf den britischen Kanalinseln (Ltd.) unterhält eine umfassende Sammlung zeitgenössischer Kunst und sieht ihren Geschäftszweck im Halten, Handeln und Vermieten dieser Kunstwerke. In der Schweiz verfügt die Ltd. weder über einen Geschäftssitz noch über eine Betriebsstätte. Im Zeitraum 2002 bis 2015 überliess die Ltd. ihrem wirtschaftlich Berechtigten mit Wohnsitz in der Schweiz regelmässig Kunstwerke, der damit seine privaten Liegenschaften immer wieder neu ausstattete. Die Kunstgegenstände wurden vom Ausland in die Schweiz importiert. Bereits 2002 hat die Ltd. eine Unterstellungserklärung Ausland bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) beantragt, ist seither als Importeur der Kunstgegenstände aufgetreten, hat sich ins schweizerische Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eintragen lassen und die Umsätze aus der Vermietung der Kunstwerke der schweizerischen Mehrwertsteuer unterstellt. Da die Einfuhrwerte der Kunstwerke das Mietentgelt für deren Überlassung überstiegen, deklarierte die Ltd. regelmässig Vorsteuerüberschüsse.

Die ESTV sowie das Bundesverwaltungsgericht stellten für die Steuerperioden 2009 bis 2015 die MWST-Pflicht der Ltd. in der Schweiz in Frage, was zu Aufrechnungen von Mehrwertsteuern von ca. CHF 7.5 Mio. führte. Das Bundesgericht hatte zu klären, ob die Ltd. in diesem Zeitraum ein Unternehmen betrieb, Leistungen in der Schweiz erbrachte, somit mehrwertsteuerpflichtig war und Anspruch auf den Abzug von Vorsteuern – namentlich der Einfuhrsteuern auf dem Import der Kunstwerke – hatte oder ihr die Steuerpflicht und die Berechtigung zum Vorsteuerabzug wegen Steuerumgehung zu versagen sind.    

Auffassung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erkennt die entgeltliche Vermietung von Kunstgegenständen der Ltd. an ihren wirtschaftlich Berechtigten als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des MWSTG an.

Allerdings gelten Umsätze aus der Vermietung von Gegenständen, die für Zwecke der Vermietung vom Ausland in die Schweiz verbracht werden, mehrwertsteuerlich als im Ausland erbracht und unterliegen demnach nicht der schweizerischen Mehrwertsteuer. Gesellschaften mit Sitz im Ausland sind, ohne Leistungen in der Schweiz zu erbringen, (nach altem wie nach neuem MWST-Recht) nicht berechtigt, sich ins schweizerische Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eintragen zu lassen. Mit einer sogenannten Unterstellungserklärung Ausland kann der Vermieter den Ort seiner Vermietungs-leistung grundsätzlich vom Ausland in die Schweiz verlagern. Der Vermieter wird damit in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig.

Im vorliegenden Fall trägt die von der Ltd. gewählte Gestaltung nach Auffassung des Bundesgerichts allerdings sämtliche Merkmale einer Steuerumgehung: die gewählte Rechtsgestaltung ist ungewöhnlich, wurde lediglich getroffen, um Steuern zu sparen und hat tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis geführt. Dabei richtet sich der Vorwurf der Steuerumgehung konkret gegen die Verlagerung des Leistungsortes mittels Unterstellungserklärung.

Das Bundesgericht erachtet es als offenkundig, dass die freiwillig über die Unterstellungserklärung begründete Steuerpflicht der Ltd. allein dazu diente, Einfuhrsteuern aus dem Import der Kunstwerke zurückzufordern, die andernfalls den wirtschaftlich Berechtigten final belastet hätten. Für den Antrag auf eine Unterstellungserklärung der Ltd. seien keinerlei wirtschaftliche Beweggründe ersichtlich. Auf Vertrauensschutz könne sich die Ltd. nicht berufen.

Lediglich Aufrechnungen die Steuerperiode 2010 betreffend wurden vom Bundesgericht aufgrund Verjährung gekippt. Die übrigen Steuerperioden inklusive 2009 waren hingegen nicht verjährt.

Fazit

Eine Steuerumgehung kommt nach Ausführungen des Bundesgerichts «nur in ganz ausserordentlichen Situationen in Frage, namentlich wenn die gewählte Rechtsgestaltung – abgesehen von steuerlichen Aspekten – jenseits des wirtschaftlich Vernünftigen liegt». Dennoch wird der Vorwurf einer Steuerumgehung gerade im Zusammenhang mit Kunstwerken und Flugzeugen regelmässig zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Vor diesem Hintergrund gilt es, die wirtschaftliche Veranlassung insbesondere von Strukturen, in denen hochpreisige Gegenstände überlassen oder übertragen werden, bestenfalls bereits bei ihrer Implementierung zu begründen und zu dokumentieren.

Interessant wäre u.E. auch, wie ein dem Streitfall ansonsten vergleichbarer Sachverhalt zu beurteilen wäre, hätte die vermietende Gesellschaft die Kunstwerke nicht ausschliesslich im Ausland, sondern auch in der Schweiz erworben und direkt dem wirtschaftlich Berechtigten gegen Mietentgelt überlassen. Die Steuerpflicht wäre in diesem Fall nicht «künstlich» herbeigeführt, sondern bei Anerkennung einer unternehmerischen Tätigkeit obligatorisch begründet. Insoweit sollte die Vorsteuer auf den in der Schweiz erworbenen Kunstwerken abzugsfähig sein; mithin wäre es somit von Interesse, ob sich beim Mietvertragsabschluss bereits im Inland befindliche Kunstwerke nach den ordentlichen Regeln des MWSTG zu versteuern wären.


English version


Decision of Federal Supreme Court on VAT: Tax avoidance when importing works of art

In its decision of 10 December 2021 (2C_263/2020), the Federal Supreme Court generally considers a company whose activity in Switzerland is limited to the leasing of works of art to its beneficial owner to have an entrepreneurial activity. In the specific case, however, the Federal Supreme Court considered the conditions for tax avoidance to be met and denied the company its VAT liability in Switzerland.

A company domiciled in the British Channel Islands (Ltd.) maintains an extensive collection of contemporary art and sees its business purpose in holding, trading and renting out these works of art. The Ltd. has neither a registered office nor a permanent establishment in Switzerland. In the period from 2002 to 2015, the Ltd. regularly provided works of art to its beneficial owner domiciled in Switzerland who frequently used them to re-furnish his private properties. The works of art were imported into Switzerland from abroad. As early as 2002, the Ltd. applied for a declaration of subordination with the Swiss Federal Tax Administration (SFTA), has since acted as importer of record for the import of art objects, has Swiss VAT registered and has accounted for Swiss VAT on the rental turnover. Since the import value of the works of art exceeded the rental fee, the Ltd. regularly declared an excess of input VAT.

The SFTA and the Federal Administrative Court questioned the VAT liability of the Ltd. in Switzerland for the tax periods 2009 to 2015, which led to additional VAT assessments of approximately CHF 7.5 million. The Federal Supreme Court had to clarify whether the Ltd. operated a business during this period, rendered supplies in Switzerland, was therefore liable to VAT and entitled to deduct input VAT – namely import VAT on the importation of art objects – or whether it should be denied its VAT liability and the right to deduct input VAT due to tax avoidance.   

Assessment of the Federal Supreme Court

The Federal Supreme Court recognizes the rental of art by the Ltd. to its beneficial owner as an entrepreneurial activity.

Turnover from the rental of goods that are brought to Switzerland from abroad, however, is VAT-wise deemed to be generated abroad and is therefore not subject to Swiss VAT. Companies with their registered office abroad are not entitled to be entered in the Swiss VAT register without generating supplies in Switzerland (under both the old and the new VAT law). With a so-called declaration of subordination abroad, the lessor may generally shift the place of the rental supply from abroad to Switzerland. In this case, the lessor becomes Swiss VAT liable.

In the present case, however, in the opinion of the Federal Supreme Court, the arrangement chosen by the Ltd. bears all the characteristics of tax avoidance: the legal arrangement chosen is unusual, was made solely to save taxes and has actually led to a significant tax saving. The accusation of tax avoidance is specifically directed against the shifting of the place of supply by means of a declaration of subordination.

The Federal Supreme Court considers it obvious that the VAT liability of the Ltd. voluntarily established via the declaration of subordination served solely to recover import VAT from the importation of art objects, which would otherwise have finally burdened the beneficial owner. No economic motives were apparent for the Ltd. applying for a declaration of subordination. The Ltd. could not invoke the protection of legitimate expectations.

Only additional VAT assessments relating to the tax period 2010 were rejected by the Federal Supreme Court due to the statute of limitations. The other tax periods, including 2009, were not time-barred.

Conclusion

According to the Federal Supreme Court, tax avoidance “only comes into question in very exceptional situations, namely if the chosen legal arrangement – apart from tax aspects – is beyond what is economically reasonable”. Nevertheless, accuses of tax avoidance are regularly subject of legal proceedings, especially in connection with works of art and aircraft. Against this background, it is important to justify and document the economic reason, especially of structures in which high-priced goods are transferred; at best already at the time of their implementation.

In our opinion, it would also be interesting to see how a situation otherwise comparable to the dispute would be assessed if the company leasing art had not exclusively acquired the art objects abroad, but also in Switzerland, and had directly leased them for consideration to its beneficial owner. In this case, the VAT liability would not have been “artificially” induced but would have been obligatory provided an entrepreneurial business activity was recognized. In this respect, the input VAT on the works of art acquired in Switzerland should be deductible; It would therefore be of interest to know whether works of art already located in Switzerland when the rental agreement was concluded would be taxable according to the ordinary rules of the VAT Act.